WAZ Grevenbroich. Gastronomie und Grillwesen,
Freizeit, Sport, Tourismus: Alle Branchen, die von "draußen
und lustig" leben, erleiden diesen Sommer. Wie immer,
kommt die Lösung aus Amerika: Versicherungen gegen schlechtes
Wetter, gegen Regen, Hitze, Kälte, Trockenheit, warme Winter
. . .
Den Golfclub "Gut Apeldör" oben bei Dithmarschen
kann man sich als eher edel vorstellen. Aus Plattland machten
sie eine Hügellandschaft, legten Bahnen an, auf denen Golfspieler
sich weit und breit allein und selig fühlen. Kurzum: Man
investierte richtig. Aber ach, die deutschen Sommer . .
. "Wir hatten lange die Vision, uns gegen Regen zu
versichern", sagt Ulrich Wöhler (62), einer der Geschäftsführer.
Für die Saison 2002 taten sie genau das zum ersten Mal.
Und zählen jetzt die Tage.
Denn ihr Vertrag ist so: Von 153 Saisontagen sind im langjährigen
Mittel 102 Tage gut zum Golfen. Erreichen sie auch in dieser
Saison mindestens 102 gute Tage, sind die 5000 E Wetterversicherung
verloren. Aber für jeden guten Tag weniger als 102 bekommen
sie Schadensersatz, der den Umsatzausfall mindert. "Am
Saisonende, am 30. September können wir sagen, ob es sich
gelohnt hat oder nicht", sagt Wöhler. Und deshalb zählen
sie die Tage.
"Wetten aufs Wetter" nennen Kritiker solche Verträge,
und "Spekulation". "Wenn ich ,Wetten aufs
Wetter´ höre, kriege ich den absoluten Fön", sagt dagegen
Hans Esser. Der 41-jährige Unternehmensberater aus Grevenbroich
ist, wie er sagt, noch der einzige in Deutschland, der "Wetterderivate"
vermittelt. "Es funktioniert wie eine Versicherung,
ist aber ein Finanzmarktprodukt", sagt Esser; auch
seien Wetterderivate das Gegenteil von Spekulation: "Spekulation
ist, auf einen schönen Sommer zu hoffen und nichts zu tun.
Wetterderivate sind das Gegenteil: kaufmännische Sorgfalt.
Das Problem für die Versicherungen: Je nach Branche gehen
die Vorstellungen doch auseinander, was schlechtes Wetter
ist - ein Öljackenhersteller sieht das eventuell ganz anders
als ein Biergartenwirt. Auch je nach Ort: In Freiburg hat
man höhere Ansprüche an schönes Wetter als in Hamburg. Deshalb
gibt es keine Standardverträge, deshalb bieten Versicherungen
nichts derartiges an. Aber Banken, Finanzgesellschaften,
Großunternehmen: Wetterderivate. "Das kommt aus Amerika
und nimmt zu. Aus unserer Sicht gibt es keine Bedenken",
sagt Sabine Reimer vom "Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungsaufsicht
In Amerika waren es Mitte der 90er Jahre zunächst Energieversorger,
die einander versicherten gegen Wetterrisiken. Etwa gegen
warme Winter, weil sie dann weniger Strom verkauften. Aber
der Markt erwies sich als ausbaufähig: "70% der Wirtschaft
sind vom Wetter abhängig", hofft Esser. Gastronomie
und Freizeit, Tourismus; Gartenmöbel und Bauindustrie, Energieversorger,
Bauern, Brauer, Bäder, Zoos . . . "Zur Zeit verhandeln
wir mit einem Großhändler, der tausenden Eisdielen Waffeln
liefert", sagt Esser: "Ich kann mir vorstellen,
dass der in diesem Sommer keinen Spaß hatte.
30, 35 Wetterderivate gibt es erst in Deutschland. Das erste,
das ausgezahlt wurde, erhielt der niedersächsische Energieversorger
Dahlenburg. Der hatte sich versichert gegen zuviel Sommer-Regen,
weil der das Stromgeschäft drückte: Die Bauern brauchen
dann ihre Felder nicht mit strombetriebenen Pumpen zu bewässern.
Es kam, was kommen musste, es regnete zuviel - und Dahlenburg
bekam seinen Schadensersatz.
Weltweit aber boomt der Markt der Wetterderivate. So wurden
zwischen April 2001 und März 2002 in Europa fast 600 Verträge
abgeschlossen mit einem Gesamtwert von 550 Millionen Dollar;
ein Plus von 345%. Insgesamt gab es fast 4000 neue Kontrakte
über 4,3 Milliarden Dollar. Genannt wurden die Zahlen vom
"Weltverband für Wetterrisiko-Management" während
seiner letzten Jahrestagung.
Die war in Florida. Das Wetterrisiko galt als ausgesprochen
minimiert.
05.09.2002 Von Hubert Wolf
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