Kürzlich
fand in Paris das 2. Europäischen Treffen der
Weather Risk Management Associ- ation (WRMA; Weltverband
Wetter Risikomanagement) statt. Etwa 90 Teilnehmer
aus der weltweiten Finanz-, Versicherungs- und
Energiebranche haben mit Meteorologen und Klimaforschern
über die Möglichkeiten und Chancen des Wetter-Risikomangagment
disku- tiert. Hans Esser, FinanzTrainer.com,
Risk Management Training & Consulting aus
Greven- broich und Nick Ward, Broker bei Spectron
London waren dabei. Sie beschreiben die
Situation und ziehen Bilanz.
Frage:
Erste Wetterabsicherungen wurden in Europa erst
1998 und in Deutschland sogar erst Anfang dieses
Jahres gemacht - in diesem sehr jungen Markt gibt
es sicherlich noch einige Probleme, die zu lösen
sind. Welche sind das?
Nick
Ward: Ein großes Problem ist/war die Liquidität,
u.a. in einer breiten Spanne zwi- schen Geld/Briefkurs
ausgedrückt. Dies hat sich durch den Zugewinn
verschiedener neuer Marktteilnehmer, sowohl auf
der Nachfrage als auch auf der Angebotsseite schon
verbes- sert. So wurden im Londoner Markt die
Gradtage für Heizenergie als Absicherung gegen
"zu warmen" Winter und damit geringerem
Energieverkauf, bei einem Preis von 1693 zu 1694
mit einem Spread von nur 1 gehandelt. Einen so
engen Markt hätte man jetzt noch gar nicht erwartet.
Hans
Esser: Auch bei einem weiteren Problem kommt man
gut voran: den Wetterdaten. Diese werden in zweierlei
Hinsicht benötigt: 1. Zur historischen Analyse
der Wetterabhän- gigkeit des Umsatzes / Gewinnes
und 2. zur konkreten Abwicklung des Wetterderivates
als Abrechnungsgrundlage. Die Entwicklung hier
geht in mehrere Richtungen: Der Deut- sche Wetterdienst
aber auch die ausländischen Pendants wie UK Met
Office (England), Meteo France (Frankreich) und
KNMI (Niederlande) waren auf der Konferenz vertreten
und haben die Bedürfnisse des Marktes erkannt
und passen sich diesen langsam an. Daneben gibt
es "private", d.h. nicht-staatliche,
Wetterdienste, die diese historischen Daten ebenfalls
in Kürze anbieten können, die aktuellen sind ja
sowieso auch dort vorhanden. Und letztlich haben
die großen Marketmaker wie Enron, Aquila und Koch
Industries diese Daten mittlerweile ebenfalls.
Frage:
Wie sehen die deutschen Energieversorger diesen
Markt?
Hans
Esser: Zu zurückhaltend. Nach dem Wetterdeal vom
Bayernwerk im März habe ich eine schnellere Entwicklung
erwartet. Es scheint jedoch, dass man mit den
Neuerungen, die LPX und EEX bieten schon genug
zu tun hat und hier zurzeit deshalb keine weitere
"Baustelle" eröffnen möchte. Ich gehe
jedoch davon aus, dass sich das in den nächsten
Monaten ändern wird - der Markt fordert es. Risikomanagement
ist eine aktive Tätigkeit und es kann nicht weiter
toleriert werden, dass man auf dieser Seite untätig
zusieht. In England haben z.B. schon verschiedene
EVU die Zeichen der Zeit erkannt und für Wetter-
derivate ein eigenes Profitcenter eröffnet. TXU
z.B. bietet mittlerweile sogenannte "fixed
price contracts" an, d.h. hier wird unabhängig
vom Mehr- oder Minderenergieverbrauch ein Festpreis
abgerechnet mit dem Endkunden. Dies bedeutet für
den Endkunden eine hohe Planungssicherheit und
ist ein eindeutiges Marketingargument für das
EVU. TXU sichert sich dabei selber durch Wetterderivate
gegen Mehrverbrauch ab. Dies könnten auch einige
deutsche EVU bieten.
Frage:
Ist das nur für die großen deutschen Unternehmen
interessant?
Hans
Esser: Nein, überhaupt nicht. Gerade kleinere
EVU oder Unternehmen können von der "Wetterseite"
massiv getroffen werden und dies geht bei diesen
Unternehmen an den Bestand. Zurzeit berate ich
gerade ein kleines, norddeutsches Stadtwerk. Hier
ist das Problem, dass in regenreichen Sommern,
die örtlichen Landwirte wenig "Beregnungsener-
gie" für das Betreiben ihrer Wasserpumpen
für die Felder benötigen und in trockenen Jahren
umgekehrt das Stadtwerk viel Energie in diesem
Bereich verkauft und ein gutes Geschäftsjahr verzeichnet.
Es geht hier um einige hunderttausend Mark und
diese Stadt- werk hat dieses Problem richtig erkannt
und will sich nicht vom Wetter abhängig machen.
Auch hier bietet das Wetter-Risikomanagement Lösungsmöglichkeiten
an, also nicht nur bei den bekannten "Temperaturabsicherungen".
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